Migge 2019 – Positionen für eine grüne Moderne

● 09.04. BIS 09.07.2019 | VORTRAGSREIHE IN HAMBURG

Das Leben und Wirken von Leberecht Migge steht im Fokus der öffentlichen Vorlesungsreihe „Migge 2019“, die am 9. April in der HafenCity Universität beginnt. Der Gartenarchitekt entwickelte vor 100 Jahren Konzepte für einen sozialen Gartenbau, die heute wieder in der Landschaftsarchitektur und Stadtplanung diskutiert werden.

Leberecht Migge (1881-1935) gestaltete Gärten mit schnurgeraden Sichtachsen, regelmäßigen Zier- und Nutzpflanzenbeeten, schattenspendenden Pergolen und in Form gestutzten Hecken. Seine Gartenentwürfe, beeinflusst von der Reformgartenkunst, wirkten modern und funktional im Gegensatz zur herrschenden Gartenmode der Jahrhundertwende.

 

Berufliche Erfolge trotz Wirtschaftskrisen

Wie erfolgreich Leberecht Migge als Gartenarchitekt war, belegen seine Auftraggeber und Kooperationspartner. Als Angestellter im Gartenbaubüro Jacob Ochs plante und realisierte er Gärten für einflussreiche Hamburger. Der Gutsgarten von Carl von Hasse in Roggendorf gehörte dazu wie der Villengarten von Max Emden in Hamburg Klein-Flottbek. Den öffentlichen Wachholder-Park in Hamburg-Fuhlsbüttel stattete er mit Laubengängen, Kinderspielplatz und Schmuckbeeten aus. Als selbständiger Gartenarchitekt in Hamburg-Blankenese realisierte er zwischen 1913 und 1920 viele Villengärten an der Alster und Elbchaussee. Für Aufsehen in der Fachwelt sorgte seine Beauftragung für die Entwicklung eines Volksparks mit vielfältigem Nutzungskonzept von der Stadt Rüstringen. Zeitgleich gewann Migge den Wettbewerb für die Gestaltung des Mariannenparks in Leipzig.

Mit seinem Umzug von Hamburg nach Worpswede 1920 wendete sich Leberecht Migge verstärkt dem sozialen Grün im Siedlungsbau zu. In den kriegszerstörten Städten herrschte Wohnungsmangel. 1926 führte die Krise der Weltwirtschaft zu Hunger und Armut breiter Bevölkerungsschichten. Im gleichen Jahr eröffnete Migge ein Landschaftsarchitekturbüro in der Hauptstadt Berlin und entwarf kleine Siedlungshäuser mit Gärten zur Selbstversorgung. Er arbeitete mit bedeutenden Architekten des „Neuen Bauens“ zusammen: Otto Haesler – Siedlung Georgsgarten in Celle; Ernst May – Siedlung Römerstadt Frankfurt am Main; Bruno Taut und Martin Wagner – Hufeisensiedlung Berlin-Britz; Leopold Fischer – Siedlung Dessau-Ziebig.

 

Die Kunst der Selbstvermarktung mit klarer Positionierung

Leberecht Migge verstand es außerordentlich, in den Medien auf sich aufmerksam zu machen. Er mischte sich ein, kritisierte in  Fachmagazinen und  eigenen Publikationen Gartenarchitekten und Stadtplaner. Beeinflusst von der Reformgartenbewegung bezog er klare Positionen und forderte Parks und Gärten für Sport, Spiel und Bewegung. Die bürgerliche Gartenkultur lehnte er strikt ab und trat vehement für eine Siedlungspolitik ein, die „Großstadt und Garten“ vereinte.

 

Spartakus in Grün

Migge forderte in „Jedermann Selbstversorger, eine Lösung der Siedlungsfrage durch neuen Gartenbau“ (1918) für jedes Siedlungshaus einen Garten. In der Schrift fasste er seine Ideen zusammen, um Nahrungsmangel und Armut in den rasant wachsenden städtischen Arbeiterquartieren zu bekämpfen.

Der Gartenarchitekt entwarf Siedlungen, in denen sich Familien selbst im Nebenerwerb mit Gemüse- und Obstanbau sowie Kleintierhaltung versorgten. Akribisch errechnete er den Bedarf einer 5-köpfigen Familie: 200 qm Gartenland, fünf Kaninchen und vier Hühner. „Je mehr Kinder, desto mehr Land“, gestand der selbsternannte „Spartakus in Grün“ den Siedlern zu. 800 qm Nutzpflanzengarten samt Ziege, Kaninchen und großer Hühnerschar standen einer Großfamilie mit Vater, Mutter und zehn Kindern zur Verfügung.

Jede Siedlung plante Migge mit Versuchs-Gärten, Fischteich, Konserven-Fabrik, Gemeinde-Weide und Sport- und Spielplätzen, die von allen Siedlern gemeinsam bewirtschaftet werden sollten. Eine Dünger-Fabrik bereitete Fäkalien, Asche und Kehricht der Siedler für die Gärten auf. Auf seinem Worpsweder Wohnsitz Sonnenhof experimentierte Migge intensiv mit der Kompostaufbereitung aus Küchenabfällen und Fäkalien. Die Entwicklung seines Trockenklosetts „Metroklo“ ließ er sich patentieren.

 

Leberecht Migge heute

Leberecht Migge forderte eine soziale Grünpolitik im Siedlungswesen. Seiner Zeit weit voraus setzte er sich für eine Kreislaufwirtschaft mittels Recycling von natürlichen Ressourcen in Arbeiter- und Hausgärten ein. Die Wiederentdeckung von Migges Ideen begann in den 1970er Jahren, als sich in der Gesellschaft erstmals Forderungen zur „Ökologischer Nachhaltigkeit“ manifestierten.

Eine umfassende Dokumentation von Leberecht Migge veröffentlichte David H. Haney. Der Autor forschte in allen verfügbaren deutschen Archiven und publizierte seine Studien 2010: „When Modern Was Green. Life and Work of Landscape Architect Leberecht Migge“. Als Referent ist er am 21. Mai zu Gast in der Hafencity Universität: „Migge in International Contexts“.

 

Veranstalter:
HafenCity Universität Hamburg
Überseeallee 16 / 20457 Hamburg
www.hcu-hamburg.de

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